So. 12.6. 21 Uhr: La naissance de l'amour (Philippe Garrel)
pirate cinema berlin
sebastian at rolux.org
Fri Jun 10 12:00:04 CEST 2005
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Die Freunde des Kinos von Philippe Garrel zeigen
in Zusammenarbeit mit den Freunden der Filmmusik von John Cale
und mit freundlicher Unterstützung der Freunde des heruntergeladenen Films
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La naissance de l'amour (Philippe Garrel)
Frankreich 1993, 90 min, 236102494 bytes
französisch mit englischen Untertiteln
Sonntag, 12. Juni 2005, 21:00 Uhr
Pirate Cinema Berlin, Ziegelstrasse 20
S Oranienburger Strasse, U Oranienburger Tor
free entry
cheap drinks
bring a blank cd
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Irgendwo da draussen, in den Weiten der Internets, gibt es eine Person, die ihre
Video-Cassetten-Sammlung seltener französischer Filme (Godard, Gorin, Garrel
usw.) als Windows Media Files encodiert. Das muss man sich in etwa so
vorstellen, als hätten die Herausgeber des weltweit einzigen Raubdrucks von
"Geschichte und Klassenbewusstsein" sich für Frakturschrift entschieden,
und veranschaulicht, wie ahnungslos selbst die Freunde des politischen Kinos
gemeinhin der Politik der Technologien gegenüberstehen. Andererseits haben wir
Ende November letzten Jahres, beim Screening von "Vladimir et Rosa" der Groupe
Dziga Vertov (http://piratecinema.org/screenings/20041128), offensichtlich aus
der gleichen Quelle, sehen können, welchen fantastischen Effekt die miese
Digitalisierung alter Videokopien von vergriffenen Filmen haben kann: Zwischen
die Bilder und ihre Betrachter tritt ein Videofilter, der Konzepten wie
"Patina", "Sepia", "35mm Noise" oder ähnlichem, überall als Plug-In bereits
vorinstalliertem Kitsch diametral entgegengesetzt ist, weil er tatsächliche
Spuren jener Armut des Gebrauchs, den das Kino vom Reichtum der technischen
Möglichkeiten macht, sichtbar werden lässt. Damit erfüllt unser unbekannter
Video-Digitalisateur - über den Umweg des Windows Media Formats - nicht nur die
Forderung von Chris Marker, das Kino solle Bilder produzieren, die zeigen was
sie sind, nämlich Bilder, und nicht die transportable Form einer historischen
oder kinematographischen Wahrheit, die sich, unabhängig von den Verbrechen der
Filmindustrie, jahrzehntelang völlig unbeschadet von Off-Kino zu Off-Kino
weiterreichen liesse (Freunde von Chris Markers "Sans Soleil", die "Vladimir et
Rosa" bei uns gesehen haben, werden sich unweigerlich an die Bilder aus der
"Zone" erinnert haben), sondern übertrifft zugleich noch das Programm von Godard
und Gorin, demzufolge das Kino zuallererst (wie z.B. zu Beginn von "Tout va
bien") seine Produktionsbedingungen zeigen solle - indem er, allem Anschein nach
aus reiner Ignoranz, die erste Garrel-Kopie aller Zeiten hergestellt hat, die
ihre eigenen Distributionsbedingungen sichtbar macht. Wovon Pirate Cinema
nämlich handelt, sind genau diese Distributionsbedingungen, und was wir
betreiben, ist ja kein Kino, sondern eher eine Archäologie des Kinos - die
ausreichend autonom ist, um nicht in Restauration zu verfallen, und die über
genügend Geduld und Bandbreite verfügt, um - eigentlich ja ganz einfach - Frame
für Frame zeigen zu können, was von der Filmgeschichte bleibt. Erst wenn das
letzte Programmkino geschlossen, die letzte 35mm-Kopie verschollen und der
letzte Rechteinhaber unbekannt verzogen ist, werdet ihr merken, dass... naja:
dass Window Media Files vielleicht doch keine ganz so tolle Idee waren.
Soviel zur "Bildqualität". Durch die Tonspur geistert, allerdings nur ganz
leise, ganz hinten und ganz oben, ein Schwarm leicht metallisch klingender
Artefakte; der Soundtrack stammt allerdings von John Cale, was an sich schon
Grund genug sein sollte, am Sonntag vorbeizukommen. Was die Geschichte betrifft,
so haben wir es mit einem doppelten Beziehungsdrama mit gelegentlichen
Reflexionsschlaufen über Tagespolitik und Revolution zu tun. Zum Beispiel:
(Fernsehen, Krieg) - "Lenin hatte recht!" - "Hä?" - (mehr Fernsehen, mehr Krieg)
- "Lenin hatte schon wieder recht" - "Ich hab keine Ahnung, wovon du redest..."
Für alle die, denen das nicht reicht, haben wir noch die Review aus der B.Z. von
vor 10 Jahren ausgegraben (erstaunlicherweise die einzige deutschsprachige
Publikation, die überhaupt eine Besprechung von Garrels Film ins Netz gestellt
hat). Besondere Beachtung verdient, neben "Gefühle werden totgedacht" (welch ein
Horror für die B.Z.: die genaue Umkehrung ihres eigenen Programms!) und dem
"melancholisch grobkörnigen Schwarzweiß" (wie oben bereits angedeutet: kommen
Sie bloss nicht in Erwartung einer melancholischen Körnung!), der Satz "schauen
Sie sich diesen Film lieber in Erdgeschoß-Kinos an" - denn das Pirate Cinema
liegst ja tatsächlich nur zwei Treppenstufen über Normalnull und ohnehin in
einer Strasse, die bei genauerem Hinsehen eher eine Senke ist. Mal ganz davon
abgesehen, dass, hätten Garrels Filme wirklich die von der B.Z. halluzinierte
Qualität, ihre Betrachter in den Selbstmord zu treiben, es kaum einen besseren
Ort gäbe als die Brücke zum Bode-Museum, in nicht mal 100 Meter Entfernung.
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Wenn Männer zu sehr reden, wird die Liebe totgedacht
Eigentlich bräuchte "Die Geburt der Liebe", der neue Film von Philippe Garrel,
einen Beipackzettel: Wenn Sie unter Depressionen leiden, vor kurzem verlassen
wurden oder ganz unglücklich verliebt sind, dann gehen Sie bitte nicht in diesen
Film. Denn der gibt Ihnen den Rest. Hier geht es nur um eins: Angst vor Nähe und
Beziehung und die Unmöglichkeit einer glücklichen Liebe. Im Mittelpunkt stehen
die beiden Freunde Paul (Lou Castel) und Marcus (Jean-Pierre Léaud): Paul
verläßt wegen Ulrika (Johanna Ter Steege) seine Frau Fanchon (Marie-Paule
Laval). Marcus hingegen wird von Ehefrau Hélène (Dominique Raymond) verlassen.
Gemeinsam sinnen sie über ihr Leben und ihre Lieben. Selbstquälend und
zerstörerisch. Bei beiden regiert der Kopf. Gefühle werden "totgedacht". Gedreht
in melancholisch grobkörnigem Schwarzweiß, mit einer Kameraführung (von
Star-Cinematograph Raoul Coutard), die langsam die Köpfe der Schauspieler
einfängt, sie einschließt, als wollte sie sagen: Es gibt kein Entrinnen, die
Lage der Gefühle ist aussichtslos. Männer und Frauen werden nie wirklich
zusammenfinden. Wenn dann die ruhige, tragende Musik (John Cale) einsetzt,
klammern sich weniger gefestigte Gemüter an die Sitzlehne, um nicht aus
Verzweiflung aus dem nächsten Fenster zu springen (schauen Sie sich diesen Film
lieber in Erdgeschoß-Kinos an). Regisseur Garrel hat mit Sicherheit ein großes
Problem, das Gute daran ist, daß er sehr ästhetische Filme daraus macht.
Jenseits von Hollywood, am Abgrund der Gefühle.
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Als Nachfilm zeigen wir, wie schon in den letzten beiden Wochen, "Sin City" von
Robert Rodriguez, in z.T. ziemlich variabler Framerate und mit Musik von KLF.
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